Artikel in der Sonderbeilage NGZ August 2009
In Deutschland herrschten noch die Hohenzollern, Wilhelm I. trug den Titel Deutscher Kaiser, zu dem ihn Otto von
Bismarck nach dem Deutsch-Französischen Krieg verholfen hatte, und zudem war er König von Preußen.
Eine lange Friedenszeit schien sich anzubahnen, da fanden im Jahr 1884 einige junge Neusser zusammen und hoben
einen Grenadierzug aus der Taufe, dem sie den Namen "Knüver" gaben. Wieso die Gründer ausgerechnet auf diesen
Namen gekommen waren, ist bis zum heutigen Tag ein Geheimnis, zumal aus jener Zeit nur ganz wenige Unterlagen vor-
handen sind - was wohl darauf zurückzuführen ist, dass in jener Zeit wenig Wert auf Papierkram gelegt worden war.
Das Substantiv "Knüver" hat eine nicht gerade positive Bedeutung: älterer Spießbürger, knauseriger Nörgler. Doch die
heutige Generation der Marschierer identifiziert sich offensichtlich mit diesem Namen
Der Ohlesbühl-König Zum ersten Oberleutnant wurde vor 125 Jahren Fritz Reinhartz gewählt, der den Grundstein dazu
legte, dass der Grenadierzug ein wohl einzigartiges Jubiläum feiern darf. Das Jahr 1902 brachte für den Jubelzug ein ganz
besonderes Ereignis, denn Fritz Schmaucks wurde Neusser Schützenkönig. Er war gebürtiger Ostpreuße und hatte sich als
Metzgerlehrling von seiner Heimatstadt Königsberg aus gen Westen aufgemacht und in Neuss eine neue Heimat gefunden.
Durch seinen Beitritt zu den "Knüvern" stellte er auch schnell klar, dass er im tiefen Westen des Deutschen Reiches Fuß
gefasst hatte. Da er in der Zwischenzeit auch seinen Beruf gewechselt hatte, in der Öhlmühle von C.Thywissen tätig
geworden war, bekam er bald den Spitznamen "Ohlesbühl-König", als der er denn auch in die Schützenfest-Geschichte
eingegangen ist.
Geliehene Königin Nachdem Fritz Schmaucks Schützenkönig geworden war, gab es für ihn jedoch ein Problem der
besonderen Art, denn seine Gattin stand kurz vor der Geburt der Tochter, konnte also zu den Krönungsfeierlichkeiten ihr
Amt nicht ausüben. Fritz Schmaucks überlegte nicht lange und "lieh" sich für die Krönung die Frau von Peter Gallas, was
wohl als einmaliges Ereignis in der bisherigen Geschichte des Neusser-Bürger-Schützenvereins gelten dürfte. Fritz
Schmaucks wohnte übrigens in einem der "Porzelinger Hüser" an der heutigen Bergheimer Straße, die in jenen Jahren
im Straßenregister unter dem Begriff Sektion F geführt wurden und vom Arbeitgeber C.Thywissen für die in der Öhl-
mühle Beschäftigten erbaut worden waren.
Beide Kriege überstanden 1911 übernahm Heinrich Nettesheim das Kommando, der auch über die Jahre des Ersten
Weltkrieges und danach "Pohl hielt", so dass der Jubelzug bereits beim ersten Nachkriegs-Schützenfest, das 1920 anstand,
mit von der Partie war. 1924, in jenem Schützenfest-losen Jahr, wie auch im Jahr zuvor, als die französischen Besatzungs-
mächte das Fest nicht genehmigt hatten, gab es in der Zugführung einen weiteren Wechsel, Fritz Schmaucks wurde mit der
Führung beauftragt, ein Amt, das er immerhin bis zum Jahr 1937 inne hatte. Ihn löste Peter Klaff ab, unter dessen
Kommando die "Knüver" mit ansehen mussten, wie bei der Königsparade 1939 Schütze auf Schütze den Markt verließ,
da sie mit Beginn des Zweiten Weltkrieges ihren Stellungsbefehl bekommen hatten. Dazu vermerkte Joseph Lange in
seinem Buch "Bürger und Bürgersöhne": "Eltern holten ihre Söhne aus den Zügen heraus, andere verheimlichten den
Schicksalsbrief so lange wie möglich, um die letzte Freude nicht vorzeitig zu trüben." Einige ältere Zugmitglieder hatten
jedoch das Glück, nicht einberufen zu werden, die es dann auch verstanden, Kontakt nach drinnen und draussen zu halten,
so dass bereits 1946 neues Leben auch in den Reihen der "Knüver" erblühte. In jenem Jahr wurde der Sohn des "Ohlesbühl-
Königs", Josef Schmaucks, zum neuen Oberleutnant gewählt, und als dann vor sechzig Jahren ein echtes Fest gefeiert
wurde - wenn auch die Krönung bereits am Abend des Schützenfest-Dienstag in der "sagen-umwobenen" Viehhalle an der
Hammer Landstrasse Stattfand - war der Zug mit von der Partie. Als 23.Zug im Korps der Grenadiere kamen die "Knüver"
damals auf den Markt. Nach dem Tod von Josef Schmaucks ging die Zugführung an Peter Junemann über, der den
Staffelstab im Jahr 2000 an Horst Schröpfer weitergab, der bis dato der "Jösseleutnant" gewesen war. Udo Vaassen ist der
Flügelleutnant, Hans-Josef Deuß ist der Stabsfeldwebel der Truppe, der übrigens 1995 auch Korpssieger der Grenadiere
war und immer noch schießt "wie e Döppke".
Ausstellung mit Königsorden Nach wie vor ist im Zug eine gut durchmischte Alters- und Berufsstruktur zu verzeichnen.
Am 17.August wurde übrigens in den Räumen des Börsencafés an der Krefelder Straße eine Ausstellung mit dem Titel
"125 Jahre - Knüver im Wandel der Zeiten" eröffnet, die noch bis zum 4.September geöffnet ist. In dieser Ausstellung ist
denn auch ein besonderes Schmuckstück zu sehen: der erste Königsorden aus dem Jahr 1823,
der sich im Zugbesitz befindet.